Ein bis heute sehr beliebter Entwurf für die Vereinigten Lausitzer Glaswerke, die Herzvase. Foto: Stefanie Waske
Glas hat Wilhelm Wagenfeld, den Pionier industrieller Produktgestaltung, immer wieder fasziniert und inspiriert. Heute vor 125 Jahren wurde er in Bremen geboren. Das Glasmuseum Boffzen unter der Regie des Freundeskreises stellte vor zehn Jahren seine wichtigsten Entwürfe der 1930er und 1940er Jahre vor – parallel zu einer Werksschau im Museum im Schloss Fürstenberg. Vom 1. April bis 31. Oktober 2015 zogen die Ausstellungsteile in Boffzen und Fürstenberg zahlreiche Gäste an. Für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg hatte der Produktgestalter 1934 das Service 639 entworfen, das auch heute produziert wird.

Wilhelm Wagenfeld als künstlerischer Leiter der Lausitzer Glaswerke 1935. Foto: Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung Bremen.
Nach seiner Zeit am Staatlichen Bauhaus in Weimar begann Wagenfelds berufliche Weiterentwicklung: Den Grundgedanken des Bauhauses, Kunst und Technik zu verschmelzen, wollte er nun in der Großindustrie umsetzen. Mit Sorgfalt gestaltete und dennoch bezahlbare Produkte sollten entstehen, Schönes für jeden Haushalt erschwinglich sein. Diesem Ansatz blieb Wagenfeld in den kommenden Jahrzehnten treu.
1931 schloss Wagenfeld einen Werkvertrag mit dem Jenaer Glaswerk Schott & Genossen. Sein erster Auftrag, das Teeservice, ist bis heute ein zeitloser Klassiker. Es folgten zahlreiche weitere Entwürfe aus feuerfestem Glas, von der Backschüssel bis zum Tassenfilter für den möblierten Herrn. Begleitet wurden sie von einer umfangreichen Werbekampagne, die sein ehemaliger Lehrer am Bauhaus, László Moholy-
Nagy, verantwortete.
Eingebettet in einem Unternehmen gestalten zu können, dieses Ziel erreichte Wagenfeld 1935: Er übernahm die künstlerische Leitung der Vereinigten Lausitzer Glaswerke in Weißwasser, der damals größten europäischen Glashütte. Hier führte er seine eigenen Qualitätsmaßstäbe ein. Die von ihm entwickelten Gläser bekamen eine Rautenmarke als Siegel für besondere Güte. Aus dieser Schaffenszeit präsentierte das Glasmuseum so legendäre Entwürfe wie die „Herzvasen“ oder die Gläserserie „Oberweimar“. Aber auch seltene Stücke, beispielsweise ein vom Maler Charles Crodel gestalteter Becher, waren zu sehen. Die Schau wollte jedoch nicht nur Wagenfelds Schaffen abbilden, sondern auch den einschneidenden Wandel der Gesellschaft zeigen: Die Nationalsozialisten setzen ihre antisemitische und völkische Kulturpolitik um. Der Zweite Weltkrieg beendete auch Wagenfelds Schaffen, er musste als Soldat an die Ostfront.
Ohne den Berliner Sammler Helmut Günther wäre diese Ausstellung nicht möglich gewesen. Er stellte seine über Jahrzehnte zusammengetragenen Glasobjekte dem Museum in Boffzen zur Verfügung.

